18. April 2024


           
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Van Canto Interview

Metal mit dem Mund – VAN CANTO im Gespräch

 

Die absolute Ausnahmeerscheinung in dieser noch jungen Festivalsaison sind zweifelsohne die Stimmbankakrobaten von Van Canto, die mit ihrem Acapella Metal nicht nur auf Platte, sondern auf Live mehr als überzeugen können. Gerade der Auftritt beim diesjährigen siebten Ragnarök in Rieden/Kreuth war eine mächtig große Überraschung, vor allem was die Reaktionen des ansonsten recht kritischen Pagan/Viking/Black Metal Publikums anbelangte. Ich selbst freute mich nach dem bärenstarken „Tribe of force“ Album sehr auf meine livehaftige Premiere und wurde zu keinem Zeitpunkt enttäuscht. Daher war es mir mehr als ein Vergnügen nach dem Gig mit den beiden Leadstimmen Inga und Sly ein ausführliches Gespräch zu führen, bei dem sich die beiden als absolute Sympathikusse herausstellten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach Eurem Gig sagte Aries von Euren Labelmates Hellsaw: „Das war doch weltklasse, oder? Wir mache Mucke mit dem Herz, aber Van Canto verstehen richtig was von Musik.“ Das ist doch mal ein großes Lob, vor allem wenn dieses aus dem Munde eines Sängers einer völlig konträren Musikrichtung kommt, oder?

 

Inga: Das hört man wirklich gerne…

 

Sly: Dennoch heißt das natürlich nicht, das wir nicht auch mit vollem Einsatz und Herz hinter unserer Musik stehen. Aber dennoch ist dies wirklich ein sehr schönes Kompliment.

 

Bei Wikipedia kann man lesen, das Euer Name vom lateinischen Wort Cantare (singen) abgeleitet wurde und das „Van“ nur hinzukam, weil es auf Plakaten geiler aussieht.

 

Inga: Auch sehr schön (lacht). Also wir haben wirklich nicht philosophiert, wie wir Canto noch weiter ausschmücken könnten. Vielmehr hat das „Van“ einfach gut gepasst. Außerdem gibt es nicht viele Bands mit V, daher sind wir in Plattenläden immer recht leicht zu finden.

 

Sly: Bei Van Halen, Volbeat…nee, das passt schon. (beide lachen)

 

Ihr seid hier beim Ragnarök eigentlich die ganz großen Exoten, doch die Publikumsreaktionen waren ja heute mehr als überraschend…

 

Inga: Nicht nur hier, wir sind eigentlich auf fast allen Festivals Exoten. Aber man unterstellt den Metallern im Allgemeinen meist eine gewissen Engstirnigkeit, was aber überhaupt nicht der Fall ist. Dieses Kastendenken ist gar nicht so weit verbreitet, wie man annehmen könnte. Egal wo wir hinkamen wurden wir meist erst schief angeguckt, dann aber bei den Gigs abgefeiert, was unglaublich schön ist. Auch hier beim Ragnarök. Viele sind mehr open minded, als man denken könnte. Daher sind positive Zuschauerreaktionen immer wieder klasse.

 

Sly: Viele der Zuschauer brauchen immer eine Weile, bis sie in unsere Musik reinkommen, aber dann geht’s immer gut ab. Meist wird uns ja unterstellt, wir würden den Metal lächerlich machen wollen, was nicht im Geringsten den Tatsachen entspricht. Eher das Gegenteil ist der Fall und das merken die Leute dann relativ schnell und feiern mit uns dann eine riesige Party. Aber es gibt immer Leute, die uns scheiße finden, aber das ist völlig o.k. Musikgeschmäcker sind halt verschieden. In den Foren geht meistens ein reger Diskurs über uns ab, der aber meist mehr amüsant ist als alles andere.

 

Ich hatte am Anfang ebenfalls gewisse Vorurteile, ob das überhaupt klappen kann…

 

Inga: Das ging uns genauso, hahaha.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dennoch habt Ihr mit Euren Alben bewiesen, dass es geht und wunderbar funktioniert. Dem ungeachtet gab es doch mit Sicherheit Anfeindungen, gerade aus der beim Ragnarök in Massen vorhandenen Black/Pagan/Viking Szene, die ja nun nicht gerade als besonders liberal gilt.

 

Inga: Ich hatte heute permanent einen Stinkefinger vor der Nase, aber mit ein bisschen Winken und Lächeln ist der dann irgendwann abgehauen (lacht).

 

Sly: Also Anfeindungen habe ich so auch noch nicht erlebt. Wem’s nicht gefällt, der dreht sich meistens um und geht und das ist auch völlig o.k.

 

Nun war ja Van Canto eigentlich als Studioprojekt konzipiert. Wie oder wann kam dann die Initialzündung zu sagen: So, wir müssen jetzt raus auf die Bühne?

 

Inga: Es kamen Liveanfragen und da haben wir uns erstmals Gedanken gemacht, wie wir unsere Musik auf der Bühne umsetzen könnten oder was wir dafür überhaupt für ein Equipment benötigen würden. Oder inwieweit wir die Songs umstellen müssten. Im Studio lässt sich vieles kaschieren oder anders machen als live, daher war diese Herangehensweise eine völlig neue Herausforderung für uns. Wir haben dafür jedenfalls eine Menge üben müssen…

 

Sly: Was wir auch immer noch tun. Vor den ersten Gigs war der Respekt unsererseits sehr groß, doch mittlerweile sind wir technisch alle ziemlich ausgereift, so dass lediglich noch Feinarbeit verrichtet werden muss. Außer wir müssen irgendwann mal den Techniker austauschen, weil der schlechter wird, hahaha.

 

Inga: Wir entwickeln und ganz kontinuierlich weiter, wie jede andere Band auch. Das ist der Lauf der Dinge.

 

Ihr bleibt aber hoffentlich Eurer Linie treu und streut live weiterhin ein paar Coverversionen ein?

 

Inga: Klar, wobei ich heute hören musste, dass das peinlich wäre…

 

Ich jedenfalls hatte bei Eurer Version von Maidens „Fear of the dark“, bei der die ganze Halle mitsang, Erpelpelle bis in die Fußsohlen…

 

Inga: Das ging mir genauso. Vor allem wenn man sieht, das die ersten Reihen alle mitsingen. Das funktioniert live einfach grandios. Das geht allerdings nur mit Songs, die das Publikum auch kennt und die Acapella umsetzbar sind. Mir machen diese Versionen unendlich viel Spaß.

 

Sly: Wir werden dennoch mehr Augenmerk auf eigene Songs legen, denn dafür haben wir einfach viel zu viel gutes Material. Aber auch die Covers werden wir nicht aus den Augen verlieren und hier und da auch ein paar Gastmusiker mit einbauen, um die ganze Sache noch ein wenig bunter zu gestalten.

 

Wie kann man sich bei Euch eigentlich den Songwriting Prozess vorstellen? Wird da einfach wild drauf losgesungen?

 

Inga: Nee, hahaha. Die Sachen entstehen am Klavier und der Gitarre und danach wird geschaut, wie man das auf die Stimmen umsetzen kann.

 

Sly: Manchmal schreiben wir auch erst die Texte und komponieren dann drum herum. Der Entstehungsprozess eines Songs ist bei uns nicht anders, als bei vielen anderen Bands auch.

 

Manche haben Euch vorgeworfen, dass der „Titel“ Acapella gar nicht mehr passt, seit Ihr mit Basti einen Drummer in der Band habt…

 

Inga: Wie soll das denn sonst funktionieren? Da wäre die Bezeichnung „Metal“ ja gar nicht mehr existent. Außerdem sind wir die absolut erste Acapella Metal Band und können daher von vornherein festlegen: Acapella Metal ist mit Drums. Punkt, hahaha.

 

Sly: Wir haben das einmal mit Beatbox versucht, was aber überhaupt nicht funktioniert hat. Außerdem ist der Verschleiß von Sängern gerade bei den Doublebass-Passagen enorm hoch (lacht).

 

Auf Eurem aktuellen Album „Tribe of force“ gab es viele Überraschungselemente. Allen voran Dein „Gitarrenduell“ mit Victor Smolinski. Wie kann man sich das vorstellen? Geht so ein begnadeter Gitarrist wie Victor einer ist, mit der nötigen Ernsthaftigkeit an solch ein Unterfangen oder sieht er das mehr als Gaudi?

 

Inga: Ich war das gar nicht, das war der Stef. Auf jeden Fall gab es einige Mails, in denen die Leute uns dafür beglückwünscht haben, nun doch einen Gitarristen in der Band zu haben, was Stef immer wieder als großes Kompliment ansah. Victor ist die ganze Sache voll professionell angegangen…

 

Sly: Er kam ins Studio, hat sich die Sachen angehört und fand die Aktion total spannend. Die Aufnahmen selbst gingen ebenfalls sehr locker von der hand. Er fand das sogar so klasse, dass er uns anbot, bei Interviews immer wieder darauf hinzuweisen, dass er bei uns ein Gitarrensolo beigetragen hat, was natürlich total cool ist.

 

Inga: Wir knien im Staub, wir sind Erde, wir sind Asche, hahaha.

 

Gab es eigentlich von den von Euch gecoverten Bands wie Maiden, Nightwish oder Metallica, wo Ulrich ja über jeden Schritt seiner Musik vertraut ist (und dabei oft das Schlagzeugspielen vergisst) irgendwelches Feedback?

 

Inga: Von den ganz Großen leider nicht. Allerdings haben wir von Toumas und Annet von Nightwish und auch Tarja positive Resonanzen bekommen, was uns natürlich tierisch gefreut hat.

 

Dann bietet sich ja ein Duett beim diesjährigen Wacken an…

 

Inga: Bin ich sofort dabei, hahaha.

 

Dafür seid Ihr ja beim Grave Digger Jubiläums Gig mit von der Partie…

 

Sly: Und machen da, bis auf 3 Songs, alle Chöre. Da freuen wir uns riesig drauf.

 

Bei „Magic taborea“ habt Ihr erstmalig mit einem Orchester gearbeitet und mich mächtig enttäuscht…

 

Inga: Wieso?

 

Weil der Song einfach zu kurz geworden ist.

 

(beide lachen) Inga: Ich dachte schon: Was kommt denn jetzt? Stimmt, ich hätte ihn auch gerne länger gehabt.

 

Sly: Das war ja für ein Computerspiel gedacht und daher waren die Rahmenbedingungen für den Song seitens der Firma klar vorgegeben.

 

Wie war Eure gerade erst beendete Tour?

 

Sly: Super, in Berlin hatten wir mit dem Knaack zwar die kleinste Location, aber dennoch war die Stimmung überall bombig. Hamburg war klasse, Essen auch und überall sind die Leute toll mitgegangen. Es war aber auch teilweise etwas stressig…

 

Inga: Wenn einer mit der Rüsselseuche anfing, ging das Reih um. Ich kann mir gar nicht vorstellen wie das bei einer Band mit einem Sänger ist, der dann irgendwann mal seine Anwandlungen bekommt. Bei uns sind’s halt 5, hahaha.

 

Sly: Im Oktober supporten wir ja noch Blind Guardian auf ihrer Tour. Das wird für uns ebenfalls ein Großereignis.

 

Was habt Ihr für einen musikalischen Background? Sprich, welche Metalbands haben Euch beeinflusst?

 

Inga: Ich habe wirklich und wahrhaftig mit Blind Guardian angefangen. Das war mein Einstieg.

 

Dazu muss ich sagen, das Leute aus meinen Umfeld, die Euch das erste Mal sahen gleich sagten: Oh, kommen da Rammsteins kleine Brüder, respektive Schwester…

 

Sly: Das geht ja noch in Ordnung. Manchmal hieß es, ich wäre Robbie Williams (lacht). Das fegen wir weg. Ich selbst höre seit 10 Jahren Metal und höre eigentlich alles durch die Bank weg.

 

Was würde eigentlich passieren, wenn ein Bandmitglied aussteigen würde? Man inseriert ja nicht einfach mal: Suche einen neuen Gitarristen, was einfach wäre.

 

Inga: Hah! Gute Frage…(betretendes Schweigen breitet sich aus)

 

Sly: Stef hat bei der Bandgründung sehr auf Herz und Leidenschaft geachtet und hat nicht wild irgendwelche Sänger verpflichtet.

 

Inga: Jedem von uns bedeutet die Band sehr viel und daher ist diese Situation momentan gar nicht abzusehen. Aber wenn doch…hmmm…

 

Sly: Austauschbar ist sicherlich jeder, dennoch wären man da an einem Scheideweg. Einen Schlagzeuger haben wir ja schon ausgetauscht…

 

Sorry, aber Drummer sind austauschbar, Stimmen weniger…

 

Inga: Stimmt. Gott sei Dank haben wir diese Situation noch nicht gehabt. Wir bleiben bis zu unserem Bühnentod zusammen und machen Metal mit dem Mund, hahaha.

by olaf

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