19. April 2024


           
Wacken Open Air 2012

 

 

 
         
 

Bericht

Am: 02.08. - 04.08.2012
Anlass: Wacken Open Air in Wacken (Schleswig-Holstein)
Autoren:
Tino [ts], Ron [rb] & Torsti [tr]

Freitag, 03.08.2012

Da verabschiedet man sich erst spät in der Nacht bzw. kurz vor Sonnenaufgang ins eigene Zelt (zuvor musste schließlich der amtsbekannte Bierdurst gelöscht werden…) und als Dank darf man wenigen Stunden „Schönheitsschlaf“ wieder raus. Die Sonne, ja die Sonne, ist es, die es drinnen unerträglich warm macht… Nun denn, die Flucht nach vorne ergreifen und auf in den Kampf.
Der erste Kampfgegner ist die morgendliche Dusche. Wer hätte gedacht, dass die Wacken-Veranstalter für den entsprechend heftigen Hallo-Wach-Effekt Eis der Antarktis geordert, aufgetaut und als Duschwasser zum Einsatz gebracht haben. Zum Glück helfen an dieser Stelle ein paar kofferraumwarme Perlen der Natur, um wieder ein Betriebstemperatur zu kommen.

In der Ferne ertönt das Inferno der Marke Endstille. Die Kieler dürfen den Tag auf der Black Stage eröffnen. Erstaunlicherweise ist auf dem Infield noch nicht so viel los, was den Norddeutschen allerdings nicht wirklich etwas ausmacht. Das neue Bandmitglied B.Killed verrät dem Schreiber dieser Zeilen zu späterem Zeitpunkt, dass man wahnsinnig viel Spaß gehabt habe. So soll es sein! Egal wie viele Mitmosher, jeder Zuschauer hat 100% Einsatz verdient. Ein lauter Buhruf an die Langschläfer bei solch einem Start.

Auf dem Weg zur Partystage ein kurzer Abstecher über das öffentliche Gelände. Vorbei geht es an der Beer Garden Stage mit Santiano auf der Bühne (bei allem Respekt doch sind Band und Stage eine Randnotiz des Festivals) und dem leeren Soccerfield (beim allem Respekt doch gibt es kaum Fußballer unter den Metallern) zum Metalmarket. Jung und Alt stöbern um die Wette und prüfen, ob eine Perle unter den zig präsentierten Metalshirts zu finden ist. Ansonsten allerlei Leopardenminiröcke, Airbrushtatoos oder Kifferwandteppiche – für jeden Geschmack ist etwas zu haben.

Bester Blick aufs WOA Gelände

Selbst für den Fall, dass das nötige Kleingeld fehlen sollte, kann man sich mit gutem Pokerface auf der nahe gelegenen Full Metal Poker Tribüne selber aus der Misere helfen. Überzogen dargestellt eine neumodische Selbsthilfegruppe.

Kurz vor dem Schritt vor die Bühne noch kurz im Stechschritt Freunde auf den Campingplätzen F und P besuchen. Wie gewünscht herrscht allerorts gute Stimmung. Im Brausebrand fällt mit „die Nadel im Heuhaufen fallen hören“ sogar der erste potentielle Kultspruch des Festivals. Dass ihn ein wesentlich nachhaltigerer wenige Stunden später übertrumpfen würde, war in diesem Moment nicht absehbar. Erklärung folgt…

Zunächst voller Heiterkeit dorthin zurück, wo die Musik spielt. Nach düsteren Aussichten mit Endstille sorgen nun andere Deutsche für Kontrastprogramm. Nicht nur die Tatsache, dass die Oomph!-Musiker perlweiße Overalls tragen, entscheidet hierbei, sondern vielmehr ihre Vorgehensweise. Sie bringen die anwesende Fanschar bei Sommer, Sonne, Sonnenschein zum kollektiven Mithüpfen. Hits wie „Gott ist ein Popstar“ und „Träumst Du?“ punkten zwar, doch sind immer wieder ältere Songs dazwischen, die nicht annähernd mithalten können. Durchwachsen.

Zeit für den ersten Freitag-Abstecher zum Bullhead City Circus, ein riesiges Zelt, in dem dieses Jahr erstmalig die Headbanger- und die W.E.T. Stage direkt nebeneinander liegen. Ist eine Show auf der einen Seite beendet, startet die folgende nur wenige Minuten später auf der anderen. So bekommt man nicht nur pausenlos was auf die Ohren und erspart sich ätzende Wartezeiten, sondern darf sich je nach Witterung auch im Schatten oder ohne Wasser von oben Bands angucken. Eine hervorrage Umplanung der Offiziellen, die meiner Meinung nach unbedingt beibehalten werden sollte.

Bei meiner dortigen Ankunft hat Henry Rollins mit seinem Spoken Word Auftritt das Wort. Er spricht von der Headbanger Stage allen aus der Seele und ins Gewissen zugleich. Für Verständnis und Respekt spricht der Amerikaner sich aus, nicht ein Hauch von arrogantem Ami-Gehabe schwingt zwischen seinen Zeilen mit. Der finale Applaus ist ihm sicher, bezeichnet er die Metal-Szene doch als die toleranteste aller.

Darkest Hour entern sofort darauf die W.E.T-Stage. Ich kann mich nicht erinnern, jemals fünf langhaarige Bandmitglieder Metalcore spielen gehört zu haben. In Sachen Optik positiv überrascht, in Sachen musikalischer Darbietung aber arg gelangweilt. Null Innovation ist vorhanden und somit schnell weg zur Mittagspause. Hier verpassen wir nichts.
Für fünf Euro wird ein geschmacksneutraler Burger vernichtet und dabei einfach Mal ein Blick auf das Wackinger Village geworfen… Eine aufziehende, tiefschwarze Wolke stielt den Gewandeten jedoch die Aufmerksamkeit. Am Horizont kein Licht und die Anzeichen bewahrheiten sich… Binnen weniger Sekunden wird aus einem Schauer ein Guss, woraufhin sich gefühlt alle in den Bullhead City Circus „retten“.

Versuchen wir das Mistwetter doch einfach mit The Black Dahlia Murder auf der Headbanger Stage zu überbrücken. Und die wissen absolut wie es geht. Der Sturzregen draußen scheint bei grandiosen Nummern wie „Nocturnal“ wie vergessen und lässt einen die Hörner nach oben strecken. Den Vergleich zu ihren zuvor genannten Landsleuten (nur einer der fünf der Death Metaller ist langhaarig…) wollen wir an dieser Stelle nicht weiter vertiefen. Möge sich jeder selbst einen Reim daraus machen.

Nach dem Regen Inferno

Dass sich bei einem derart großen Festival die Spielzeiten interessanter Bands überschneiden, kann wohl einfach nicht verhindert werden. Das bedeutet im aktuellen Fall, dass ich nicht bis zum Ende bleiben kann.

Die Reise geht wieder zurück zum Infield, da Overkill zwischenzeitlich die Black Stage eingenommen haben. Dummerweise hat sich der Untergrund der sonst landwirtschaftlich genutzten Koppeln bereits in eine riesige Matschwüste verwandelt. Der Boden konnte die Wassermassen einfach nicht aufnehmen und die mindestens 150.000 Füße t(r)aten ihr Übriges. Schnellstmöglich also einen rutschpartiearmen Umweg über das Backstagegelände zum Zelt und die getragenen Converse gegen ein Paar griffige Springerstiefel eintauschen. Mit ihnen kommen wir sicheren Schrittes an und erfreuen uns an den Klassikern „Wrecking Crew“, „Elimination“, „Hello From The Gutter“ – die Thrashhelden behaupten ihren Status sich eindruckvoll.

Zu überlegen, ob man wegen der katastrophalen Bodenverhältnisse noch ein Mal zur W.E.T.-Stage aufbrechen sollte, ist daraufhin vollkommen Fehl am Platz. DER ultimative Pflichttermin des Festivals steht bevor. Als ob die eigene Vorfreude auf Decapitated nicht in Schwindelerregende Höhen gestiegen wäre, überbieten die polnischen Könner alle Erwartungen. Mit einen 1A-Sound ausgestattet spielen sie auf wie es tighter nicht geht und schießen ihre Hits aus der Hüfte in die Massen. Das Highlight des Tages!

Zum persönlichen Feierabend dürfen jetzt noch die Auftritte zweier skandinavischer Szenegrößen unter die Lupe genommen werden. Sowohl Dimmu Borgir als auch In Flames waren im Vorfeld wahrlich groß angekündigt worden.
Erstgenannte hatten sich Chor und Orchester verstärkt auf der Black Stage versammelt und sorgten beim Unterzeicher regelrecht für Ernüchterung. Lediglich in den dargebotenen Songs vom Überalbum Puritanical Euphoric Misanthropia gelingt es, das Orchester (nicht ordentlich in den Sound eingebettet und damit sozusagen das fünfte Rad am Wagen) und den Chor (nur selten im Mix zu hören und damit verschenkt) richtig zur Geltung zu bringen. Wer so viel auffährt, gerät in Gefahr, sich damit zu verzocken. Dimmu Borgir hat in diesem Sinne zu viel gewollt.

In Flames machen eine Sache seit Jahren – sie setzen auf eine außergewöhnliche Lichtshow. Respekt dafür, kostet sie die Schweden doch einen Geldbetrag, die viele Bands lieben einstecken als investieren würden. Die Frage ist nur, ob ihre Musik bei all den zum Einsatz kommenden Effekten überhaupt noch die erste Geige spielt. Wären die Songs von In Flames ebenso gut ohne Flammen und Feuerwerk? Ich bezweifle es stark und erachte es auch nicht als sinnvoll „Pinnball Map“ und „Artifacts Of The Black Rain“ aus der Setlist zu werfen.

Freitags-Fazit:

Die Unterschiede zwischen den TOP 3 (Decapitated, Overkill und The Black Dahlia Murder) und dem Rest der live-rezensierten Teilnehmer waren beachtlich, die Treppchenplätze verdient. Auf dem Wacken Open Air bedarf es schlichtweg mehr als nur einer durchschnittlichen Standartleistung, da die Konkurrenz vor Ort immer immens war, ist und es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch bleiben wird.

Bleibt nun nur noch die Erklärung, warum die Truppe vom Ballroom Hamburg das Rennen in Hinblick auf den diesjährigen Kultspruch gemacht hat. Die rhetorisch Frage „HOW MATSCH IS TOO MATSCH“ traf einfach den Nagel auf den Kopf. In dieser Sache herrschte in Wacken Einigkeit. Petrus hat nachzusitzen. [rb]

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