29. März 2024


           
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Mystic Prophecy Interview

Heimlich still und gar nicht leise haben sich die süddeutschen Power Metaller Mystic Prophecy zur Ligaspitze im Hartwurstbereich vorgearbeitet. Dieser Umstand ist aufgrund starker Veröffentlichung wie die 2006er Scheibe „Savage souls“ oder dem letztjährigen Kracher „Satanic curses“ auch völlig gerechtfertig und wird durch den aktuellen Killer „Fireangel“ noch weiter zementiert.

 

Wie schaffen es die Jungs nur, permanent und in derlei kurzen Abständen solche Hitalben zu fabrizieren? Wie lebt es sich mit dem Erfolg und der permanent Lobhudelei der Presse? Wie konnte Sänger Lia nach diversen Besetzungswechseln den selbst auferlegten, hohen Standard halten und sogar erweitern? Dies waren alles Fragen, die mir unter den Nägeln brannten und dringend an den Mann gebracht werden mussten. Dies erwies sich aber schwieriger als gedacht, denn irgendwie verpassten wir uns immer und somit trafen wir uns dann via Telefon an einem Sonntagmorgen gegen 9 Uhr. Eine recht „unmetallische“ Zeit, die allerdings durch unsere frühaufstehenden Kinder ihre Begründung findet. Lia war jedenfalls zu dieser frühen Stunde schon sehr auskunftsfreudig…

Glückwunsch zum Chartentry auf Platz 77. Überrascht?

 

Ja, eigentlich schon. Wenn man in der Vergangenheit mal schaut, sind meist Bands aus dem Metal Bereich in die Charts gekommen, die weitaus länger am Markt sind als Mystic Prophecy. Bei uns hat es halt erst beim sechsten Album geklappt, wo manche nur eins oder zwei brauchen. Ich glaube aber, das der Erfolg eng mit unserer erspielten Fanbase zusammenhängt und die Leute einfach auf ein neues Album von uns gewartet haben, in die Plattenläden gegangen sind und sich sofort „Fireangel“ gekauft haben. Natürlich spielen da auch die guten Reviews eine Rolle. Wir haben fast überall tolle Kritiken für die Scheibe bekommen und aufgrund dessen sind die Leute natürlich auch neugierig geworden.

 

Dennoch ist es für eine Power Metal Band schon erstaunlich, gerade in Zeiten des illegalen Downloads, so viele Platten für einen Einzug in die Charts abzusetzen…

 

Sehe ich genauso. Wenn man mal die Entwicklung betrachtet, ist es schon gewaltig, wie sehr sich die Verkaufszahlen zurückentwickeln. Das sind pro Jahr 10-20% weniger. Wenn du letztes Jahr 10.000 Platten verkaut und diese Zahl im darauffolgenden Jahr halten kannst oder nur 1.000 weniger an den Mann bringst, bist du immer noch der King. Ich kenne Bands, die haben früher 50.000 verkauft und sind jetzt bei 20.000. Hört sich immer noch viel an, ist aber ein massiver Einbruch in allen Bereichen. Die Leute sind halt auch wegen der Wirtschaftskrise nicht mehr so kaufgeil wie früher.

Von 2006 bis 2008 hat Mystic Prophecy mehrere Besetzungswechsel vollführen müssen. Erst 2006 Gus G. und Dennis Ekdahl, nach „Satanic curses“ Matze Straub, Martin Grimm und Martin Albrecht. Wie gelingt es Dir, trotz dieser personellen Fluktuation den hohen musikalischen Standard zu halten und meist auch noch auszubauen?

 

(lacht) Naja, ich bin der Meinung, dass es nicht die Musiker sind, die den Erfolg ausmachen, sondern die Musik. Versteh mich nicht falsch, aber du musst dir die Musiker suchen, die am besten zu deiner Band passen, das sind zwangsläufig vielleicht nicht die besten, aber passen müssen sie. Mystic Prophecy haben eine eigene Duftnote und zocken nicht einfach nur 08/15 ihren Metal runter. Wir haben viele depressive Elemente in unserer Musik und das kommt an. Ich weiß, was ich will und was ich erreichen möchte und wie ich es umsetzen kann. Es ist halt meine Band, die ich auch gegründet habe. Manchmal werde ich auch in Interviews gefragt, ob Mystic ein Projekt sind. Da kommt dann immer meine Gegenfrage: Kennst du ein Projekt, welches in 8 Jahren 6 Scheiben veröffentlicht hat? Eben. Aber zurück zu Deiner Frage. Gus und Dennis sind nach der „Neverending“ ausgestiegen, gerade auch, weil sich Gus auf seine andere Band Firewind konzentrieren wollte. Für mich persönlich war es eine Herausforderung den Leuten zu zeigen, dass es nicht unbedingt an den Musikern liegen muss, sondern an guten, arrangierten Songs. Dann kam die „Savage souls“, die tierisch durch die Decke gegangen ist und alle haben gesagt: Die ist nicht zu toppen. Denkste, die „Satanic curses“ wurde von der Presse noch mehr abgefeiert und allen Orts sagte man: Wo soll die Band noch hin? Dann kamen die Abgänge, die allerdings in aller Freundschaft von statten gingen. Martin ist zum dritten Mal Vater geworden und hat einen scheiß Job der von morgens 6 bis abends 6 geht. Dann noch proben, das ging nicht mehr. Und, sein wir mal ehrlich, ich brauche Leute, mit denen ich weitergehen und meine Ziele erreichen kann. Ich kann niemanden gebrauchen, den man einfach so mitschleppt. Unser anderer Martin hat einen Fulltime Job im Krankenhaus, 3 Wochen arbeiten, 1 Woche frei. Da fragt ich Dich, wo soll der Typ noch Zeit für die Band haben? Matze hat Recht studiert, dann noch bei Sacred Steel gespielt. Jetzt hat er einen Job angenommen, dazu noch 2 Bands, das ging ebenfalls nicht mehr. Nun hatte ich mit Markus (Pohl-Gitarrist) schon angefangen, neue Songs zu schreiben und holte mir dann drei Monate vor Veröffentlichung die neuen Mucker ins Boot. „Fireangel“ ist also in 3 Monaten entstanden.

 

Rasant, rasant…

 

Ich sag’s Dir. 8 Songs habe ich mit Markus geschrieben, den Opener mit Conny (Andreszka-Bass) und den Rest mit Constantine (Gitarre). Und da soll mal einer noch mal sagen, ich mache alles alleine (lacht). Ich versuche immer, alle Bandmitglieder ins Schreiben einzubeziehen. Jeder soll verstehen, was Mystic Prophecy ausmacht, wo wir hinwollen und wie die Ziele definiert sind. Ich möchte nicht, dass sich am Sound irgendetwas ändert, nur weil wir neue Mitglieder in der Band haben. Und vor allem will ich den Fans das nicht antun, die uns so fantastisch supporten und nur auf die neue Scheibe gewartet haben. Wir wissen, wie wir Songs schreiben, die dem Zuhörer gefallen. Ich brauche keine Musik zu schreiben, wo das Publikum vor der Bühne den Taschenrechner zücken muss um herauszufinden, wie viele Breaks ich nun in dem Song gespielt habe. Das ist schon eher ein Fall für die Musikpolizei (lacht).

 

In meinen Augen seid Ihr mit „Fireangel“ wieder ein Tick melodiöser, aber nicht minder heavier geworden, wo hingegen „Satanic curses“ ein ziemliches Brett mit diversen Thrash Anleihen war. Beschreibe die Scheibe doch mal aus Deiner Sicht.

 

Erst einmal gebe ich Dir Recht was Deine Einschätzung betrifft. Die „Savage souls“ tendiert eher zu „Fireangel“, was die Musik anbelangt. Allerdings wenn Du die „Satanic…“ als brutaler bezeichnest, ist „Fireangel“ von Sound her brachialer. Die Produktionen bei den vorherigen Platten war etwas rougher. Doch unser neues Album hat mehr Songs im Midtempo Bereich, bei denen natürlich die Melodien besser zur Geltung kommen, als bei einem schnelleren Album. Ich finde, dass die „Fireangel“ im Vergleich zu den anderen Alben mehr Abwechslung besitzt, was aber nicht heißen soll, dass die anderen im Vergleich schlechter waren. Eben halt nur anders. Aber das ist ja das Geile. Ich finde es viel schlimmer, wenn eine Band auf jedem Album immer das Gleiche macht. Stillstand ist Tod. Man muss sich immer weiterentwickeln. Wir bewegen uns in einem Raum, wo wir nach links, rechts, oben und unten ausbrechen können, aber immer Mystic Prophecy bleiben. Ich bin da absolut Fan-geil, ich will einfach meine Fans glücklich machen. Ich will mit keiner Mode oder irgendeinem anderen Scheiß gehen, da habe ich keinen Bock drauf. Ich bin mit der Scheibe auf jeden Fall glücklich, doch letztlich entscheidet immer der Fan, wie das Album ankommt.

 

Hast Du was an der Produktion verändert? Die letzten Alben hast Du ja noch zusammen mit Fredrik Nordström gemischt. Nun hast Du alles im Alleingang bewältigt…

 

…und ich bin sehr zufrieden damit. Du wirst niemals Kritik an unserem Sound hören, darauf lege ich den allergrößten Wert. Sämtliche Kritiken oder Reviews sind immer voll des Lobes für unsere Produktionen.

 

Nun hast Du sechs Alben in sieben Jahren produziert. Hast Du soviel Zeit und vor allem interessiert mich, ob Deine Band soviel abwirft, das Du davon leben kannst?

 

Ich produziere ja auch viele andere Bands. Die letzte Eldritch, die neue Sacred Steel, Winters bane (es folgen noch reichlich andere Bands…), dennoch bin ich hauptberuflich Dreher in der Autoindustrie. Dazu noch Familie, das klappt. Ich nehme mir für alles immer einen Tag und konzentriere mich dann voll und ganz auf die anliegende Tätigkeit.

 

Wer oder was ist denn der Feuerengel?

 

Das sind wir, die Menschheit. Jeder Mensch hat etwas Negatives, sowie auch etwas Positives. Vom ersten Tage an leistet jeder seinen kleinen Teil, um unsere Welt zu verwüsten. Der apokalyptische Engel ist in meinen Augen der Mensch, der, seit er seinen Fuß auf diese Erde gesetzt hat, diese immer mehr zerstört. Der Mensch ist in Bezug auf die Erde eine Killermaschine, der sich keine Gedanken über die Auswirkungen seines Tuns macht und seinen Nachkommen in 50 oder 100 Jahren nur noch Staub hinterlässt. Ich finde das total schlimm. Genauso wie die Lethargie der Industrieländer, die nur rumsitzen und nichts gebacken bekommen. Mir graust es immer, wenn ich in meinem Kühlschrank abgelaufene Lebensmittel finde und im gleichen Atemzug tausende Kinder den Hungertod sterben. Das macht mich echt fertig. Es könnte jedem auf dieser Welt gut gehen…

 

Fliegen Dir eigentlich solche Ohrwürmer wie „We kill you die“ zu und steckt da harte Arbeit hinter?

 

Das fliegt mir zu. Ich versuche Musik zu schreiben, die ich selber gerne hören würde und dazu gehören halt starke Refrains. Ich habe eine raue Stimme und weiß, wo meine Grenzen sind. Daher versuche ich erst gar nicht, höchst komplizierte Songs oder Melodien zu schreiben, weil die einfach nicht zu mir passen. Dieser Ohrwurmeffekt kommt vielleicht auch ein bisschen von meiner griechischen Wurzeln, zumindest was diesen orientalischen Touch betrifft. Wenn ich merke, da ist eine Melodie, auf die ich absolut nichts singen kann, schmeiße ich den Song umgehend weg, das macht keinen Sinn.

 

Wenn ein Unbedarfter in einem Plattenladen stöbert und vielleicht nach der neusten Death oder Black Metal Veröffentlichung stöbert kann es aufgrund Eurer Cover oder der Titel schon mal zu Verwechslungen kommen. Ist das Kalkül?

 

Ich habe einfach keinen Bock auf diese Kindergarten Cover die nichts aussagen. Zwar waren unsere letzten beiden Alben recht bunt, dafür aber immer noch aussagekräftig. „Fireangel“ hingegen ist sehr düster und mit Sicherheit nicht so poppig, wie eins dieser Kinderbuch-Cover. Die Titel selbst sind Klischees aus dem Metal Bereich. Wir sind Entertainer und sehen uns auch als solche. Würden wir jetzt mit Drachen und solchem Scheiß ankommen, hey, wir würden  uns unglaubwürdig und lächerlich machen. Wenn wir damit wirklich einen Death Metal bewegen können, das Teil mal in seinen Player zu schieben, haben wir doch eine Menge erreicht. Selbst wenn er dann feststellt, das es sich „nur“ um eine Power Metal Band handelt. Der Power Metal war eh als erstes da, mit all seinen Schädeln und Knochen. Also: Die Schädel gehören dem Power Metal, hahaha. Das Auge frisst zuerst und nichts ist wichtiger, als aufzufallen. Wenn der potentielle Käufer deine CD in die Hand nimmt, hast Du schon gewonnen, schiebt er sie dann in den Player, ein weiteres Mal. Und wenn er sie dann kauft sowieso. Ich lege unheimlich viel Wert auf gute Covergestaltung. Unser Digibook vom letzten Album hat ein Scheißgeld gekostet, was sonst eigentlich der Band zugeflossen wäre. Doch wie ich mehrmals schon gesagt habe, ich will was machen, was ich selber kaufen würde.

 

In meinen Augen ein kleines Wagnis, gerade in Zeiten, wo das Geld nicht ganz so locker sitzt und auch Plattenfirmen wie SPV in den Konkurs rutschen…

 

Auch wenn es jetzt hart klingt, aber die Szene soll sich ruhig mal etwas selbst bereinigen. Sieh Dir doch mal die Reviews in Heften wie dem Rock Hard oder dem Heavy oder was an. Da sind 200 Releases drin und 180 davon haben eine Benotung von 8. Wer um Himmels willen soll da noch wissen, was er kaufen soll? Da sind Scheiben bei, die werden hoch bewertet und wenn man sie dann hört, könnte man kotzen. Ich will hier keine anderen Musiker schlecht machen, aber in den letzten 10 Jahren hat die Qualität merklich nachgelassen. Jeder der einen Computer im Keller hat nimmt irgendeinen Dreck auf, getriggerte Drums bis zum Anschlag, Plug in Gitarren und veröffentlicht eine Platte. Das macht mich krank. Jeder soll seine Chance bekommen, selber was auf die Beine zu stellen, aber dann auch bitte mit Qualität. Only the strong survive…

by olaf

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