28. März 2024


           
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Ahab Interview

Eine der für mich derzeit interessanteste Band aus deutschen Gefilden sind die Funeral Doomer von Ahab, die mit ihrem Zweitwerk „The divinity of oceans“ ein Genre-Meisterwerk abgeliefert haben und vor allem mit ihrem Konzept der Vertonung der Geschichte um Moby Dick, die sich ja tatsächlich zugetragen hat, einen echten Treffer landeten. Handelte der Vorgänger „The call oft he wretched sea“ noch von dem allgemein bekannten Kampf des weißen Wales gegen Captain Ahab, so wird nun die Geschichte und der Leidensweg der Schiffbrüchigen der Essex abgehandelt, der an Horror und Grusel dicht an die fiktiven Songtexte Cannibal Corpse‘ heranreicht. Ich nutzte die sich mir bietende Gelegenheit und zerrte Bassist Stephan Wandernoth vors Mikro, der mir bereitwillig über Ahab und das Konzept Rede und Antwort stand.

Wohin geht Dein nächster Urlaub? Nach Nantucket oder einem anderen Ort in Massachusetts?

 

Das wäre natürlich mal ein spannendes Reiseziel. Vielleicht dürfen wir ja mal ein Konzert in einer alten Hafenspelunke in Nantucket geben, hehe. Ich werd aber wohl mit dem Urlaub an der Nordsee Vorlieb nehmen müssen.

 

Woher rührt eigentlich Euer Faible für maritime Geschichten?

 

Die Ursprüngliche Idee Herman Melvilles´ Moby Dick zu vertonen und daraus ein Konzept über drei Alben zu erarbeiten geht auf Heci und Daniel zurück. Die beiden hatten unabhängig von einander den Gedanken eine Doom Band zu gründen und wollten schon lange diese Geschichte vertonen. Ich bin ja erst vor ca. 1 ½ Jahren zur Band gestoßen, kenne die Jungs aber schon recht lange. Diese ganze nautische Thematik hat mich schon als Kind fasziniert. Als Jugendlicher bin ich dann über den Film an die Buchvorlage von Moby Dick gekommen und hab mir das Buch dann erst wieder nach meinem Einstieg bei AHAB ein zweites mal durchgelesen. Ich habe lange überlegt, was die Faszination der See oder maritimer Geschichten ausmacht. Die Antwort, die passender nicht seien könnte, habe ich dann (wie könnte es anders sein) in Moby Dick gefunden:

 

„Wann immer ich ein saures Gesicht zu machen beginne, wenn es in mir düster und triste wie im November ist und ich vor jedem Sarggeschäft meinen schritt anhalte oder den Leichenzügen nachlaufe, besonders aber, wenn der Weltschmerz in meinem Inneren die Überhand in einer Weise bekommt, dass es all meines moralischen Rückhaltes bedarf, um nicht auf die Straße hinunter zu laufen und den Leuten die Hüte von den Köpfen zu schlagen – dann ist es, wie ich weiß, hoch an der Zeit für mich, zur See zu gehen.“

 

Tja, ich denke uns geht es da hin und wieder ganz ähnlich und statt zur See zu gehen oder anderen Leuten die Hüte vom Kopf zu kloppen vertonen und interpretieren wir eben die Stimmungen der See.

 

The divinity of oceans“…Warum die Göttlichkeit des Ozeans? Eure Musik vermittelt mehr todbringende, schwarze Gewalten.

 

Genau, unsere Songs sind natürlich erst mal zähe, düstere Brocken. Man könnte meinen der Titel „The Divinity Of Oceans“ stehe im krassen Kontrast zu unserer Musik. „Die Göttlichkeit der Meere“ bedeutet für mich aber eben nicht nur die Göttlichkeit in einem schönen oder vollkommenen Sinne. Die Göttlichkeit des Ozeans beinhaltet für mich immer zwei Seiten, also z.B. die übermächtige und vernichtende Naturgewalt, der sich die gottesfürchtigen Seefahrer damals auslieferten oder eben auch das Meer, als das reine Urelement, dass die Seefahrer ernährt. Ich glaube diese Dualität findet sich auch in unserer Musik wieder. Es gibt viele klare, zerbrechliche und ruhige Momente auf dem Album, die dann von der nächsten verzweifelten Riffwoge wieder zermalmt werden. Die Wechselhaftigkeit des Ozeans, das ständige auf und ab, dies passt für mich einfach hervorragend zur Musik von AHAB und schreit geradezu danach musikalisch interpretiert zu werden.

 

Welcher Autor hat Euch beim schreiben des neuen Albums mehr beeinflusst? Ich persönlich bevorzuge die Schilderungen von Owen Chase, der ja alles am eigenen Leib erfahren musste, statt nur Gehörtes zu erzählen wie Nathaniel Philbrik.

 

In die Texte zu „The Divinity Of Oceans“ sind sowohl die Berichte des Ersten Offiziers der Essex, Owen Chase, eingeflossen, sowie auch die Erzählung von Nathaniel Philbrick. Mir gefällt die Schilderungen in „Der Untergang der Essex“ gut und es war diese direkte Darstellung von Owen Chase, die ich kannte, bevor wir uns ans Einspielen des Albums gemacht haben.

 

Geht es bei Eurem Song „Redemption lost“ um die Erlebnisse und Erfahrungen der Mannen in den Rettungsbooten, die 3 Monate brauchten, um die Küste Südamerikas zu finden?

 

Ein Großteil des Albums handelt von den Erfahrungen der Seeleute auf der zermürbenden Reise in ihren Rettungsboten. Um den eigentlichen Untergang des Mutterschiffes geht es nur am Rande. Vielmehr sieht die Crew, die sich in die Beiboote retten konnte, jetzt einer entbehrungsreichen Fahrt entgegen. Aus Angst vor Kannibalen, die auf der nahegelegen Marquesas-Inseln leben sollen, entscheidet sich die gestandenen Seemänner lieber über das offene Meer zu steuern, um wieder Festland zu erreichen oder unterwegs von einem kreuzenden Schiff aufgesammelt zu werden. Da der Mannschaft bald die Nahrung ausgeht werden sie untereinander bald selbst zu Kannibalen.

 

 

Daher rührt ja auch das Cover zum Album. Wo habt Ihr dieses Gemälde, welches die Schiffbrüchigen der Essex zeigt, aufgetrieben?

 

Das Cover zeigt das Gemälde „Das Floß der Medusa (Le radeau de la Méduse)“ des französischen Malers Théodore Géricault. Heci hat bei seiner Recherche zum Untergang der Essex das Gemälde entdeckt und wir fanden es sofort absolut stimmig. Auch das Gemälde zeigt die Szene eines Schiffsbruchs, der aber erst mal nichts mit dem Untergang der Essex zu tun hat. Ich finde es bringt die Verzweiflung der Schiffsbrüchigen und die unheilvolle Situation hervorragend zum Ausdruck. Es reduziert quasi den Inhalt des textlichen Konzepts von „The Divinity Of Oceans“ bildlich auf seine Essenz. Auch das Gemälde von Théodore Géricault aus dem Jahre 1819 (die Essex sank erst am 22. November 1820) bezieht sich auf eine wahre Begebenheit und auch unter den hier dargestellten Schiffsbrüchigen brach damals nach kurzer Zeit Kannibalismus aus, was ja auch im Untergang der Essex ein großes Thema ist. Angeblich fand ein ausgesandtes Rettungsteam das Floß der Besatzung aufgrund der gehissten Segel. Was sie anfänglich für Segel hielten stellte sich später als zum trocknen aufgehängtes menschliches Fleisch heraus.

 

Erzähl mir doch bitte mal etwas zu „Nickersons theme“. Bei meiner Recherche fand ich dazu nur 3 amerikanische Städte, die aufgrund ihrer geografischen Lage kaum etwas mit Meer oder Walfang zu tun haben können.

 

Thomas Nickerson war der vierzehnjährige Schiffsjunge der Essex. Das erste Schiff auf dem er anheuerte war die zum sinken verurteilte Essex. Nach dem Untergang  fuhr Thomas Nickerson mit Owen Chase im gleichen Rettungsboot. Auch der Bootsjunge hielt damals die Ereignisse in seinem Tagebuch fest.

 

Musikalisch habe ich gerade bei „Gnawing bones“ gewisse Parallelen zu uralten Cathedral herausgehört. Gibt es für Euch eigentlich musikalische Vorbilder? Im Bereich des Doom ist die Auswahl ja nicht besonders hoch?

 

Ich mag die Cathedral Alben sehr, bin aber bisher noch nicht auf die Idee gekommen musikalische Parallelen zu ziehen. Der Doom Sektor ist, wie Du sagst, ja keine besonders große Szene, dafür aber eine umso enthusiastischere. Es gibt jede Menge Perlen die es sich lohnt zu entdecken. Ich steh besonders auf Bands wie Yob, Neurosis, Battle Of Mice oder Warning, höre aber auch gerne Stoner-Zeug wie Kyuss oder Monster Magnet. Zudem hören wir alle sehr viel Musik außerhalb der Doom Schublade. In Sachen AHAB gibt es für uns aber keine konkreten Vorbilder. Der kleinste gemeinsame musikalische Nenner unter uns vier Bandmitgliedern ist vermutlich, dass wir alle einen breit gefächerten Musik Geschmack haben. Vielleicht ist es diese Tatsache die das Album relativ vielschichtig hat werden lassen. 

 

Gerade in Zeiten, wo Literatur oder wie in Eurem Fall Weltliteratur nicht gerade hoch im Kurs junger Leute stehen und eher Medien wie das Fernsehen oder das Internet frequentiert werden, seht Ihr Euch als eine Band, die den Leuten das lesen dieser literarischen Meisterwerke wieder näher bringen will?

 

Wir haben hin und wieder schon die Rückmeldung bekommen, dass sich jemand, besonders durch das „The Call Of The Wretched Sea“ Album, motiviert fühlte Moby Dick zu lesen. Ich finde es verdammt faszinierend wenn sich jemand aufgrund des Albums die Zeit nimmt sich so intensiv mit einem Thema auseinander zu setzen und sich durch Melvilles´ Roman liest. Den Anspruch den Leuten das Lesen näher zu bringen haben wir aber sicherlich nicht.

 

Nun ist ja das Thema „Moby Dick“ in all seinen Facetten von Euch bearbeitet worden. Welche Themen werden in Zukunft von Euch behandelt? Bei Eurem Background stelle ich mir immer eine Vertonung von Jüngers „A perfect storm“ oder ähnliches vor.

 

Das ist richtig. Unsere Version der „Nantucket-Saga“, die AHAB mit den letzten drei Alben aufgegriffen haben, sehen wir als beendet. Wir haben schon einige neue Ideen was die Fortführung des lyrischen Konzepts angeht. Aber etwas konkretes kann ich an dieser Stelle noch nicht verraten; außer, dass wir wohl bei den nautischen Themen bleiben werden. Vermutlich werden wir uns thematisch wieder an eine literarische Vorgabe machen und es sind auch schon einige Buchtitel gefallen und weiterhin im Gespräch.

 

Gibt es keine passenden Geschichten über die raue Nordsee oder die dunkle Ostsee?

 

Doch ich denke schon, dass die Nordsee oder auch die Ostsee genug Geschichtsträchtige Geschehnisse zu bieten hat. Im zweiten Weltkrieg z.B. spielten sich auch in der Nordsee dramatische Szenen ab. Auch heute verschwinden Schiffe hin und wieder immer noch spurlos, Piraterie erlebt einen Boom und auch die Fischerei hat bestimmt einiges an Seemannsgarn zu bieten. Vielleicht haben wir das nächste mal eine Geschichte zu vertonen, die einen regionaleren Bezug mit sich bringt. Schauen wir mal wohin der Kurs uns führt.

 

 

Wie wollt Ihr eigentlich diese tonnenschwere Monolithen live aufführen? Ich stelle mir eine Performance mit 12 minütigen Brocken recht schwierig vor, vor allem wenn man noch nicht in der Situation eines Headliners ist.

 

Stephan: Die Songs funktionieren live sehr gut. Es kann natürlich vorkommen, dass wir es je nach Spielzeit auf nur drei Songs in unserem Live-Set schaffen. Da ist es dann manchmal schon schwierig einzelne Songs herauszupicken. Wen es nicht stört, dass ein Song bei uns auch mal eine Viertel Stunde gehen kann, der wird seine Freude an unseren Shows haben. Es sind ja aber auch nicht alle Songs solche langen Brocken. Wir können schließlich auch mit dem ein oder anderen Song unter 8 Minuten aufwarten und auf der anstehenden Tour werden wir es wohl sogar auf 4-5 Songs am Abend schaffen, hehe.  Vom 10.09. – 19.09. geht es dann mit Dornenreich und Fjoergyn auf eine zehntägige Deutschland Tour, um „The Divinity Of Oceans“ Live zu präsentieren. Checkt also mal die genauen Termine unter www.AHAB-Doom.de. Man sieht sich dann hoffentlich auf Tour.

by olaf

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