Würden sich Tanzwut eines schönen Tages mal in "Arbeitswut" umbenennen, so würde mich das wohl nicht sonderlich wundern, denn es bleibt ein Rätsel wie diese Band (inkl. deren Hauptband Corvus Corax) es immer wieder schafft höchste Qualität abzuliefern, ohne dabei auf der Stelle zu treten, und das trotz aller Verpflichtungen und Veröffentlichungen "nebenbei"!
Das goldene Qualitätssiegel können sich die Berliner auch auf das vorliegende Doppelalbum nieten, steht es den Vorgängern doch in nichts nach und hat sogar noch so einiges an Härte hinzugewonnen. Zwar blieben die liebgewonnenen, eingängigen Refrains der letzten beiden Studioalben ein klein wenig auf der Strecke, doch dafür strotzt dieses Werk nur so vor Abwechslungsreichtum! Allerdings, wer durch den Schatten reitet, muss auch gelegentlich mal ans Licht (um das Ying & Yang-Thema mal anzupassen *g*). So kann ich mich z.B. nur schwer an Songs wie "Dein zweites Gesicht" gewöhnen, welches zwar ein feines Grundgerüst besitzt, aber dafür einen austauschbaren Refrain inne hält. Oder auch das gänzlich unspektakulräre "Kaltes Grauen" kann mich bis heute nicht begeistern. Doch das sind Ausnahmeerscheinungen und die sind bei 18 Tracks (das "Intro" zählt nicht und gehört eigentlich an "Toccata" geschweißt) durchaus annehmbar. Alle Höhepunkte hingegen aufzuzählen würde den Rahmen sprengen und so beschränke ich mich auf die Auffälligsten: "Schattenreiter", der Titeltrack ist eine fast schon überladene Industrial Nummer, wie man sie vermutlich von Tanzwut nicht erwartet hätte. Das anschließende Stück "Der Arzt" reiht sich wiederum in die altbekannte Klasse und besticht neben dem sinnigen Text durch das sehr eingängige Songwriting. Die wohl derbste Nummer (im positiven Sinne) liefern Tanzwut wohl mit der "Geisterstunde" ab, die heftigst an den Membranen rüttelt und somit durchaus Metal-pur-kompatibel ist! Ein weiteres Highlight ist ganz eindeutig J.S.Bach's "Toccata", welches wunderbar arrangiert wurde und stets zum immer wieder anhören einlädt. (...)
Der CD-ROM Part hält dagegen nichts wirklich Aufregendes parat. Verwackelte Aufnahmen von "Tanzwut in Moskau 2005" eben und nichts mehr. Im Grunde überflüssig und nur für den eingefleischten Fan von Bedeutung. Und weil man sich das hätte sparen können und alle Tracks ebenso gut auch auf eine einzelne CD passen würden, ziehe ich ganze acht Pommesgabeln aus den Ärmeln und außerdem noch meinen Hut vor diesen Spielmännern.